Haben die bilateralen Verträge gemäß Bundesgericht bei Wiedersprüchen Vorrang vor der Verfassung?
Die bilateralen Verträge haben nach der bundesgerichtlichen Praxis grundsätzlich keinen Vorrang vor der Verfassung. Das Bundesgericht geht im Zusammenhang mit völkerrechtlichen Verträgen im Allgemeinen davon aus, dass das Völkerrecht Vorrang hat, sofern dies möglich ist. Allerdings wird diese Regel durch die sogenannte Schubert-Praxis eingeschränkt, wonach das Bundesgericht vom Vorrang des Völkerrechts abweichen kann, wenn der Bundesgesetzgeber eine Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen bewusst in Kauf genommen hat und dafür die politische Verantwortung übernimmt[1].
Bezogen auf die bilateralen Verträge mit der EU wird ausdrücklich festgestellt, dass diese völkerrechtlichen Verträge die Verfassung nicht ausser Kraft setzen und keine verfassungswidrigen Eingriffe bewirken. Sie erfordern keine Anpassungen der Bundesverfassung und wahren die verfassungsmässige Ordnung sowie die Zuständigkeiten der verschiedenen Eidgenössischen sowie kantonalen Organe. Eine grundsätzliche Verfassungsänderung durch diese Verträge ist nicht gegeben[2].
Zusammenfassend haben die bilateralen Verträge gemäß Bundesgericht also keinen unmittelbaren Vorrang vor der Bundesverfassung, da diese völkerrechtlichen Abkommen im Rahmen der verfassungsmässigen Ordnung abgeschlossen wurden und keine Verfassungsänderung darstellen. Der Vorrang des Völkerrechts wird nur in Ausnahmefällen relativiert, wenn dies vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt ist[1][2].