Stelle deine eigenen Fragen

Der Bundesrat

Faktenblatt, 13.06.2025

Struktur der Vorlage und Referendum

Worum geht es?

Das Paket Schweiz

EU umfasst die Änderung bestehender Abkommen aus den Bilateralen I

sowie den Abschluss neuer Abkommen. Zudem umfasst das Paket innerstaatliche Geset-

zesanpassungen und den Erlass neuer Gesetze. Diese Gesetzesanpassungen und neuen Ge-

setze dienen der Umsetzung der Abkommen oder sehen Begleitmassnahmen vor. Zu den Be-

gleitmassnahmen gehören etwa die Massnahmen zum Schutz des Lohnniveaus oder die Um-

setzung der Schutzklausel in der Zuwanderung. Die Abkommen und die Umsetzungsgesetz-

gebung (inkl. Begleitmassnahmen mit Gesetzesanpassungen) werden dem Parlament zur Ge-

nehmigung unterbreitet. Für die Genehmigung musste der Bundesrat folgende drei Fragen be-

antworten:

1. Welche Abkommen sollen gemeinsam vorgelegt werden? (sogenannte "horizontale Bün-

delung")

2. Unterstehen die Abkommen einem fakultativen oder einem obligatorischen Referendum?

3. Soll die Umsetzungsgesetzgebung zusammen mit dem jeweiligen Abkommen oder separat

vorgelegt werden? (sogenannte "vertikale Bündelung")

Mit der Vernehmlassungsvorlage präsentiert der Bundesrat seinen Vorschlag zu diesen drei

Fragen. Die Vernehmlassungsvorlage bildet anschliessend die Grundlage für die Botschaft an

das Parlament. Mit der Botschaft wird der Bundesrat dem Parlament seinen Antrag zu den drei

Fragen unterbreiten. Das Parlament ist an diesen Antrag nicht gebunden. Es entscheidet ab-

schliessend darüber, wie das Paket Schweiz

EU dem Volk unterbreitet wird.

Horizontale Bündelung der Abkommen

Der Bundesrat schlägt vor, das Paket Schweiz-EU in zwei Teile zu unterteilen. Der erste Teil

umfasst alle Abkommen, die der Stabilisierung der bilateralen Beziehungen dienen. Dazu ge-

hören die institutionellen Protokolle sowie die Änderungsprotokolle zu den bestehenden Ab-

kommen Personenfreizügigkeit, Luft- und Landverkehr, Gegen-seitige Anerkennung von Kon-

formitätsbewertungen (MRA) und Landwirtschaft, die Protokolle über staatliche Beihilfen zu

den Land- und Luftverkehrsabkommen, das Beitragsabkommen, das Abkommen zur Teil-

nahme an der EU-Weltraumagentur EUSPA sowie das Abkommen zur Teilnahme an verschie-

denen EU-Programmen. Das Inkrafttreten dieser Abkommen ist durch eine vertragliche Klausel

miteinander verbunden. Diese Abkommen und Protokolle sollen daher in einem Bundesbe-

schluss gemeinsam vorgelegt werden.

Der zweite Teil umfasst drei neue Abkommen in den Bereichen Gesundheit, Strom und Le-

bensmittelsicherheit. Dabei handelt es sich um Weiterentwicklungen der bilateralen Beziehun-

gen. Diese drei Abkommen sollen in drei separaten Bundesbeschlüssen vorgelegt werden.

Die Abkommenstexte sehen vor, dass die Weiterentwicklungen nur in Kraft treten können,

wenn auch der Stabilisierungsteil in Kraft tritt. Hingegen kann das Stimmvolk zum Stabilisie-

rungsteil JA sagen, aber eines oder mehrere der Weiterentwicklungs-Abkommen ablehnen.

Das heisst, der Stabilisierungsteil kann auch in Kraft treten, wenn alle oder einzelne der neuen

Abkommen abgelehnt werden.

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Der Bundesrat präsentiert also vier separate Bundesbeschlüsse, einen zur Stabilisierung der

bilateralen Beziehungen und drei zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen. Dieses

Vorgehen entspricht dem verfassungsmässigen Grundsatz der Einheit der Materie.

Zusätzlich schlägt der Bundesrat ein Protokoll über die parlamentarische Zusammenarbeit zwi-

schen der Schweiz und der EU vor. Dieses untersteht als einziges Abkommen des Pakets nicht

dem Referendum und wird dem Parlament deshalb separat vorgelegt.

Referendum

Der Bundesrat schlägt vor, die Abkommen zur Stabilisierung der bilateralen Beziehungen und

die drei Abkommen zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen jeweils einem fakulta-

tiven Referendum zu unterstellen. Nach sorgfältiger Analyse der Verhandlungsergebnisse, ein-

gehender Prüfung früherer Entscheide in vergleichbaren Fällen sowie unter Einbezug der

Rechtslehre und der Gespräche mit den Kantonen sowie den aussenpolitischen Kommissionen

ist der Bundesrat zum Schluss gelangt, dass das fakultative Referendum die verfassungsrecht-

lich am besten abgestützte und politisch tragfähigste Lösung darstellt.

Einem fakultativen Referendum unterstehen Abkommen, die wichtige rechtsetzende Bestim-

mungen enthalten oder den Erlass von Bundesgesetzen erfordern (Artikel 141 Absatz 1 Buch-

stabe d Ziffer 3 BV). Wird gegen ein solches Abkommen das Referendum ergriffen, ist ein Mehr

des Volkes erforderlich. Einem obligatorischen Referendum untersteht der Beitritt zu einer Or-

ganisation für kollektive Sicherheit oder zu einer supranationalen Gemeinschaft (Artikel 140

Absatz 1 Buchstabe b BV). Bei einem solchen Abkommen ist ein Mehr von Volk und Ständen

erforderlich.

Alle Abkommen zur Stabilisierung der bilateralen Beziehungen und die drei Abkommen zur

Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen enthalten wichtige rechtsetzende Bestimmun-

gen und/oder erfordern den Erlass von Bundesgesetzen. Keines dieser Abkommen sieht je-

doch den Beitritt zu einer Organisation für kollektive Sicherheit oder zu einer supranationalen

Gemeinschaft vor. Nach der geltenden Ver-fassung unterstehen die Abkommen zur Stabilisie-

rung der bilateralen Beziehungen und die drei Abkommen zur Weiterentwicklung der bilatera-

len Beziehungen demnach dem fakultativen Referendum.

Das Parlament unterstellte unter der alten Bundesverfassung drei Mal ein Abkommen einem

obligatorischen Referendum, obwohl die zum jeweiligen Zeitpunkt geltende Verfassung das

nicht vorsah (sogenanntes "obligatorisches Staatsvertragsreferendum sui generis"). Der Bun-

desrat bekräftigt die Auffassung, dass dieses Vorgehen in Ausnahmefällen zur Anwendung

kommen kann, wenn das Abkommen einen schwerwiegenden Eingriff in die innere Struktur der

Schweiz mit sich bringt, namentlich die verfassungsmässige Ordnung tangiert, oder eine grund-

legende Neuorientierung der schweizerischen Aussenpolitik bewirkt.

Der Bundesrat hat festgestellt, dass die Abkommen des Pakets Schweiz-EU diese Vorausset-

zungen nicht erfüllen. Sie wahren die verfassungsmässige Ordnung und bewirken keinen

schwerwiegenden Eingriff in die innere Struktur der Schweiz. Bundesrat und Parlament haben

auch die Abkommen der Bilateralen I und II so beurteilt, obwohl insbesondere die Schen-

gen/Dublin-Assoziierungsabkommen ebenfalls eine Verpflichtung zur dynamischen Rechts-

übernahme kennen. Unter den Schengen/Dublin-Assoziierungsabkommen sind die Konse-

quenzen im Fall der Nichtübernahme eines relevanten EU-Rechtsaktes zudem gravierender,

als dies im Paket Schweiz-EU vorgesehen ist. Trotzdem gelangte der Bundesrat zum Schluss,

dass die Schengen/Dublin-Assoziierungsabkommen "zu keiner tiefgreifenden Änderung unse-

res Staatswesens führen und mithin auch nicht die verfassungsmässige Ordnung tangieren"

(BBl 2004 5965, 6288). Das Parlament hat das bestätigt.

Das Paket Schweiz-EU bewirkt auch keine grundlegende Neuorientierung der schweizerischen

Aussenpolitik. Durch das Paket will der Bundesrat vielmehr den mit den Bilateralen I und II

eingeschlagenen Weg weiterführen.

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Mit der Wahl des fakultativen Referendums wahrt der Bundesrat die Kohärenz mit seiner bis-

herigen Praxis und die Kontinuität der Schweizer Europapolitik. Zudem sichert er die grösst-

mögliche Handlungsfreiheit für Parlament und Kantone. Diese Option entspricht dem bisheri-

gen Vorgehen bei den Bilateralen I und II und trägt zudem der Ablehnung der Volksinitiative

"Staatsverträge vors Volk" im Jahr 2012 Rechnung. 75,3 Prozent des Stimmvolkes haben da-

mals ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit wichtigen rechtssetzen-

den Bestimmungen abgelehnt. Die vom Bundesrat gewählte Option ermöglicht schliesslich die

vertikale Bündelung der Abkommen mit deren innerstaatlicher Umsetzung (siehe weiter unten).

Das Parlament wird im Rahmen der parlamentarischen Beratung zum Paket Schweiz–EU ab-

schliessend über die Frage des Referendums entscheiden. Die grundsätzliche Frage eines

obligatorischen Staatsvertragsreferendums sui generis bleibt unberührt.

Vertikale Bündelung der Abkommen und der Umsetzungsgesetzgebung

Die Umsetzung des Pakets erfordert die Anpassung von Bundesgesetzen sowie den Erlass

neuer Gesetze. Dazu kommen inländische Massnahmen in den Bereichen Lohnschutz, Zu-

wanderung, Studiengebühren, Strom und Landverkehr. Es handelt sich dabei um Massnah-

men, die für die Umsetzung der Abkommen nicht zwingend sind, vom Bundesrat jedoch zu-

gunsten der innenpolitischen Tragfähigkeit des Pakets ausgearbeitet wurden.

Für den Bundesrat gehören die Abkommen und die Umsetzungsgesetzgebung sowie die Be-

gleitmassnahmen mit Gesetzesanpassungen aus demokratiepolitischer Sicht zusammen. Der

Bundesrat schlägt deshalb vor, die Gesetzesanpassungen zusammen mit dem jeweiligen Ab-

kommen vorzulegen. Er hat entschieden, dass die vier Bundesbeschlüsse zum Stabilisie-

rungsteil und zu den drei Weiterentwicklungen jeweils auch die dazugehörigen Gesetzesan-

passungen enthalten sollen. Das ist in Artikel 141a BV so vorgesehen. Durch dieses Vorgehen

wissen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, dass ein Ja zu einem Abkommen auch ein Ja

zur Umsetzungsgesetzgebung und zu den Begleitmassnahmen bedeutet.