Könnte das Subsidiaritätsprinzip in der Verfassung durch das Rahmenabkommen geritzt werden?
Das Subsidiaritätsprinzip könnte durch das institutionelle Rahmenabkommen potenziell in seiner Anwendung herausgefordert werden. Im Kontext der Verhandlungen und des Bundesratsentscheids, das Rahmenabkommen nicht zu unterzeichnen, wurden vor allem substanzielle Differenzen bei zentralen Themen wie Personenfreizügigkeit, Lohnschutz und staatlichen Beihilfen festgestellt. Die EU verknüpfte dabei die Aktualisierung der Binnenmarktabkommen mit der institutionellen Frage und der Rechtsangleichung, was als Eingriff in die schweizerische Gesetzgebungs- und Gestaltungsautonomie interpretiert werden kann[1][2].
Zudem geht aus den Verhandlungsberichten hervor, dass das Rahmenabkommen institutionelle Elemente beinhaltet, die auf eine engere Überwachung und eine bindende Durchsetzung durch gemeinsame Gremien abzielen (z.B. gemischter Ausschuss mit bestimmten Kompetenzen), was die Eigenständigkeit der Schweiz in der Rechtssetzung und -anwendung relativieren könnte[3][4]. Diese Mechanismen erlauben der EU, Einfluss auszuüben und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen, wenn bilaterale Abkommen nicht eingehalten werden, was eine Einschränkung des Subsidiaritätsprinzips wäre.
Auf der anderen Seite zeigt die Weiterentwicklung des Rahmenabkommens, dass einige der ursprünglichen Risiken, etwa bezüglich Lohnschutz und staatlicher Beihilfen, im Sinne der Schweiz abgefedert oder bereinigt wurden[5]. Dies deutet darauf hin, dass eine vollständige Beschneidung des Subsidiaritätsprinzips durch den neuen Vertragsentwurf zumindest teilweise adressiert ist.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die institutionelle Verflechtung und die vermehrten Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen des Rahmenabkommens grundsätzlich dazu führen können, dass das Subsidiaritätsprinzip in der schweizerischen Verfassung „geritzt“ wird, da die Schweiz mehr Kompetenzen an EU-Institutionen abtritt und die eigenständige Entscheidungshoheit eingeschränkt wird. Es handelt sich somit um eine potenzielle Rissbildung, die vom Umfang der Umsetzung und Kontrolle abhängt[1][2][4].
Gemäss Art. 50 der Bundesverfassung ist die Gemeindeautonomie gewährleistet. Inwiefern könnte diese mit dem Rahmenvertrag eingeschränkt werden?
Die Verträge enthalten keine spezifischen Informationen dazu, wie das Rahmenabkommen die Gemeindeautonomie gemäss Art. 50 der Bundesverfassung beeinflussen könnte. Es gibt keine direkte Aussage in den Verträgen, die entweder eine Einschränkung oder eine Wahrung der Gemeindeautonomie thematisiert oder festlegt[1].
Kann die Schweiz aus dem Rahmenabkommen auch wieder aussteigen?
Ja, die Schweiz kann aus dem Rahmenabkommen wieder aussteigen. Die Verträge sehen eine Kündigungsmöglichkeit vor, die es der Schweiz erlaubt, das Rahmenabkommen unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen zu beenden. Gemäss Art. 335o darf eine Kündigung erst nach Abschluss eines vorgesehenen Verfahrens ausgesprochen werden, das dazu dient, die Kündigung zu vermeiden. Eine Kündigung ist somit nicht zulässig, solange dieses Verfahren noch läuft. Zudem sieht Art. 335p vor, dass eine Kündigung nichtig ist, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wurde. Beide Parteien sind verpflichtet, sich während des Verfahrens nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu verhalten. Neben dem Verfahren sind auch Kündigungsfristen und Vorgehensweisen zu beachten, etwa das Führen eines Dialogs innerhalb einer bestimmten Frist, der in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) geregelt sein kann. Kündigungsregelungen können demnach unterschiedliche Modalitäten enthalten, solange sie eine faire Verhandlungsbasis sicherstellen und die Kündigung nicht willkürlich erfolgt[1][2].