Der Bundesrat
Faktenblatt, 13.06.2025
Worum geht es?
Zwischen der Schweiz und der EU werden jedes Jahr Agrarprodukte und Lebensmittel im Wert
von über 16 Milliarden Franken gehandelt. Die EU ist die wichtigste Handelspartnerin der
Schweiz. Dies zeigt sich auch bei den Agrarerzeugnissen: 50% der Schweizer Exporte in die-
sem Bereich gehen in die EU, 74% der Importe kommen aus der EU (Angaben von 2023).
Durch Fälschungen oder Verunreinigungen gelangen manchmal nicht sichere, gesundheitsge-
fährdende Lebensmittel auf den Markt. Um diese Risiken zu minimieren, wollen die Schweiz
und die EU bei der Lebensmittelsicherheit noch enger zusammenarbeiten. Ziel ist ein gemein-
samer Lebensmittelsicherheitsraum, der alle pflanzengesundheitsrelevanten, veterinär- und le-
bensmittelrechtlichen Aspekte entlang der Lebensmittelkette umfasst und den überwiegenden
Teil des Handels mit Agrarerzeugnissen mit der EU abdeckt.
Die Ausweitung des Abkommens von 1999 über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeug-
nissen (Landwirtschaftsabkommen) im Bereich der Lebensmittelsicherheit stärkt den Schutz
der Konsumentinnen und Konsumenten und ermöglicht eine Beteiligung am EU-Binnenmarkt
durch einen umfassenden Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse. Spezifische Ausnahmen
verhindern, dass das Abkommen zu einer Senkung der in der Schweiz geltenden Standards
führt, insbesondere im Bereich des Tierschutzes und der gentechnisch veränderten Organis-
men.
Eine Harmonisierung der Agrarpolitiken der Schweiz und der EU bleibt ausgeschlossen. Der
bestehende Schweizer Grenzschutz für Agrarprodukte wird unverändert beibehalten.
Grundzüge
Das Landwirtschaftsabkommen von 1999 wird in Zukunft in zwei Teile gegliedert sein. Einen
Agrarteil, der nicht der dynamischen Rechtsübernahme untersteht, und einen Teil zur Lebens-
mittelsicherheit, der neu durch ein Protokoll zur Lebensmittelsicherheit geregelt wird und der
dynamischen Rechtsübernahme untersteht. Das Protokoll zur Lebensmittelsicherheit sieht vor,
die Lebensmittelsicherheit in der EU und der Schweiz über die gesamte Lebensmittelkette zu
verbessern, indem ein gemeinsamer Lebensmittelsicherheitsraum geschaffen wird. Dabei wird
die Schweiz den gewünschten Zugang zur Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) und den relevanten Netzwerken der EU erhalten. Neu wird die Schweiz zudem in das
Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel der EU eingebunden.
Die bestehenden Ausnahmen (zum Beispiel das Tiertransitverbot) bleiben erhalten, und neue
Ausnahmen konnten insbesondere in den Bereichen Tierschutz und gentechnisch veränderte
Organismen ausgehandelt werden. Über das Verhandlungsmandat hinaus wurde zudem er-
reicht, dass bei Lebensmitteln, die in der Schweiz vertrieben werden, die Pflicht zur Angabe
des Herkunftslandes bestehen bleibt.
Der gemeinsame Lebensmittelsicherheitsraum umfasst einerseits die im Landwirtschaftsab-
kommen bereits bestehenden Bereiche Pflanzengesundheit (heutiger Anhang 4), Futtermittel
(heutiger Anhang 5) und Saatgut (heutiger Anhang 6) sowie den Handel mit Tieren und tieri-
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schen Erzeugnissen einschliesslich Lebensmittel tierischer Herkunft (gemeinsamer Veterinär-
raum; heutiger Anhang 11). Andererseits wird darin neu auch der Handel mit nichttierischen
Lebensmitteln und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geregelt.
Der Agrarteil wird weiterhin aus den Anhängen 1-3 (gegenseitige Zollzugeständnisse und Kä-
sefreihandel), 7 (Handel mit Weinbauerzeugnissen), 8 (Spirituosen), 9 (landwirtschaftliche Er-
zeugnisse und Lebensmittel aus biologischem Landbau), 10 (Anerkennung der Kontrolle der
Konformität mit den Vermarktungsnormen für frisches Obst und Gemüse) und 12 (Schutz von
Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmit-
tel) bestehen. Diese Anhänge gelten weiterhin wie bisher und unterstehen nicht der dynami-
schen Rechtsübernahme. Bei Streitfällen in diesen Anhängen ist neu ein Schiedsgericht vor-
gesehen, jedoch ohne Einbezug des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Hinzu kommt ein besonderer Schutz für den Agrarteil des Abkommens. Grundsätzlich können
bei der Verletzung eines Binnenmarktabkommens Ausgleichsmassnahmen in den Bereichen
jedes Binnenmarktabkommens ergriffen werden. Für den Agrarteil gilt das nicht. Allfällige Aus-
gleichsmassnahmen sind in diesem nur bei einer Verletzung des Landwirtschaftsabkommens
(Agrarteil und Protokoll zur Lebensmittelsicherheit) möglich. Gegen Ausgleichsmassnahmen,
welche aufgrund der Verletzung eines anderen Binnenmarktabkommens ergriffen werden, ist
er geschützt.
Die Schweiz und die EU bleiben in der Ausgestaltung ihrer Agrarpolitiken weiterhin eigenstän-
dig. Auch der bestehende Grenzschutz (inkl. Zölle und Kontingente) bleibt unverändert erhal-
ten.
Umsetzung in der Schweiz
EU-Rechtsakte im Bereich der Lebensmittelsicherheit werden mit ihrer Integration ins Protokoll
zur Lebensmittelsicherheit durch einen Beschluss des Gemischten Ausschusses – d.h. mit ex-
pliziter Zustimmung der Schweiz – Teil der schweizerischen Rechtsordnung und können neu
grundsätzlich direkt angewendet werden. Das betroffene heutige Schweizer Recht wird darum
angepasst werden, vor allem, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Wo das EU-Recht nicht
hinreichend konkret ist, um direkt angewendet werden zu können, sind im Schweizer Recht
zudem gewisse Präzisierungen erforderlich.
Mit dem Protokoll zur Lebensmittelsicherheit werden Schweizer Fachleute die Möglichkeit ha-
ben, bei der Ausarbeitung von neuem EU-Recht im Geltungsbereich des Protokolls umfassend
mitzuwirken («
Decision Shaping
»). Zudem werden Schweizer Expertinnen und Experten direkt
und aktiv an den Arbeiten der EFSA teilnehmen können. Die Mitarbeit in der EFSA sowie die
Möglichkeit der Mitwirkung bei der Ausarbeitung neuen EU-Rechts ermöglichen es, die Anlie-
gen der Schweiz aktiv einzubringen und allfällige Bedenken frühzeitig zu platzieren.
Bedeutung für die Schweiz
Das Abkommen bietet bedeutende Vorteile für die Schweizer Lebensmittelwirtschaft, für die
Gesundheit von Pflanzen und Tieren und für den Schutz der Konsumentinnen und Konsumen-
ten in der Schweiz.
Die Schaffung eines gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraums sowie der Zugang zur EFSA
und zu europäischen Warn- und Kooperationssystemen ermöglicht der Schweiz, Risiken in der
Lebensmittelkette effektiver zu identifizieren und zu bekämpfen (Bsp. Warnung vor gesundheit-
lich bedenklichen Lebensmitteln oder Futtermitteln für Heim- und Nutztiere).
Der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse im gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraum
erleichtert die Beteiligung der Schweizer Agrar- und Lebensmittelwirtschaft am EU-Binnen-
markt.
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In den Verhandlungen hat die Schweiz zudem wichtige Ausnahmen bei Themen wie Tierschutz
und Regulierung von gentechnisch veränderten Organismen erreicht und kann so ihre hohen
Standards aufrechterhalten.
Die Schweiz bleibt in der Ausgestaltung ihrer Agrarpolitik weiterhin eigenständig. Mit der An-
passung des Landwirtschaftsabkommens ändert sich gegenüber heute nichts bezüglich land-
wirtschaftlicher Zölle, Kontingente und deren Bewirtschaftung. Das heisst der bestehende
Grenzschutz bleibt erhalten. Überdies entscheidet die Schweiz weiterhin eigenständig über das
Schweizer Direktzahlungssystem, welches die Besonderheiten des Landes berücksichtigt, wie
z.B. über den Steillagenbeitrag für die Bewirtschaftung von steilen Flächen.
Konkret
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Sicherheit der Lebensmittel:
Der Skandal um Pferdefleisch in Lasagne im Jahr 2013 ist
vielen noch in Erinnerung. EU-Lebensmittelkontrollen entdeckten damals nicht deklariertes
Pferdefleisch anstelle von Rindfleisch in Fertiglasagne-Produkten, woraufhin diese aus
dem Detailhandel zurückgerufen wurden. Die Schweiz war ebenfalls von den Warenliefe-
rungen betroffen. Während die EU-Mitgliedstaaten dank Warnsystemen schnell informiert
waren, erfuhr die Schweiz zeitverzögert über die Medien davon. Mit dem neuen Protokoll
zur Lebensmittelsicherheit erhält die Schweiz vollen Zugang zu den Schnellwarnsystemen
der EU. So ist die Schweiz zeitgleich mit der EU informiert und kann bei Vorfällen wie falsch
deklarierten Produkten oder gefährlichen Substanzen in Lebensmitteln schneller reagieren.
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Schweizerische Besonderheiten:
Die Schweizer Bevölkerung achtet auf eine gesunde
und regionale Ernährung. Wichtig sind ihr namentlich die hohen Schweizer Standards beim
Tierschutz und hohe Sicherheitsanforderungen an gentechnisch veränderte Organismen
(GVO). Das Protokoll zur Lebensmittelsicherheit respektiert diese Schweizer Besonderhei-
ten. In der EU zugelassene GVO-Lebensmittel sind nicht automatisch in der Schweiz zu-
gelassen. Dafür ist nach wie vor ein Zulassungsverfahren nach den strengen Sicherheitskri-
terien der Schweiz notwendig. So sind beispielsweise in der EU mehrere Sorten von gen-
technisch verändertem Raps für die Herstellung von Lebensmitteln (bspw. Rapsöl) zuge-
lassen, in der Schweiz jedoch keine. Auch was den Tierschutz angeht, behält die Schweiz
ihre strengen Anforderungen bei: So gelten auch in Zukunft für die Haltung von landwirt-
schaftlichen Nutztieren die höheren Standards der Schweiz.