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Der Bundesrat

Faktenblatt, 13.06.2025

Landverkehr

Worum geht es?

Die Schweiz hat stark in eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur investiert und ist heute ein

zentraler Verkehrsknotenpunkt auf der europäischen Nord-Süd-Achse. Mit ihrer Verlagerungs-

politik verfolgt die Schweiz das strategische Ziel, möglichst viel Güterverkehr von der Strasse

auf die Schiene zu bringen. Zudem ist die Beteiligung am Transportmarkt der EU auf Strasse

und Schiene von Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft und die Versorgung des Landes.

Entsprechend wichtig ist es, dass die Schweizer Besonderheiten und Errungenschaften sowie

die Beteiligung am EU-Transportmarkt langfristig abgesichert werden.

Diese Aspekte werden mit dem Landverkehrsabkommen mit der EU geregelt. Das Landver-

kehrsabkommen betrifft ausschliesslich den grenzüberschreitenden Personen- und den Güter-

verkehr, und das sowohl auf der Strasse als auch auf der Schiene. Der rein nationale Verkehr

(Langstrecken-, Regional- und Ortsverkehr) ist nicht davon erfasst. Das Landverkehrsabkom-

men erlaubt es, die Verkehrspolitik mit der EU abzustimmen und definiert zum Beispiel gemein-

same technische Normen und Zulassungs- und Sozialvorschriften.

Das Landverkehrsabkommen sichert der Schweiz auch wichtige Ausnahmen wie das Sonn-

tags- und Nachtfahrverbot für Lastwagen oder die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe

(LSVA). Letztere trägt zur Verlagerung von Strassentransporten auf die Schiene bei, wie in der

Bundesverfassung verankert, und ist wichtig für die Finanzierung der Bahninfrastruktur.

Grundzüge

Beihilferegeln

Der inländische öffentliche Verkehr («

Service public

») ist von den Beihilferegeln ausgenom-

men. Das heisst, die bewährte Finanzierung des inländischen öffentlichen Verkehrs bleibt un-

verändert (s. auch Faktenblatt

Staatliche Beihilfen

).

Bei der dynamischen Übernahme von EU-Recht im Anwendungsbereich des Landverkehrsab-

kommens sieht das Verhandlungsergebnis wichtige Ausnahmen in folgenden Bereichen vor:

Öffnung des internationalen Schienenpersonenverkehrs

Künftig können EU-Bahnunternehmen eigenständig grenzüberschreitende Bahnverbindungen

in die Schweiz betreiben. Gleichzeitig können Schweizer Unternehmen eigenständig grenz-

überschreitende Verbindungen ins Ausland anbieten. Die Öffnung erfolgt jedoch kontrolliert,

damit wichtige Errungenschaften des Schweizer ÖV-Systems weiterhin geschützt sind:

EU-Bahnunternehmen müssen für ihre Tätigkeiten auf den Streckenabschnitten in der

Schweiz die hierzulande geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten.

Der Vorrang des schweizerischen Taktfahrplans wurde abgesichert: EU-Bahnunternehmen

können internationale Verbindungen in die Schweiz nur dann anbieten, wenn für den

Schweizer Streckenteil Kapazitäten (Trassen) zur Verfügung stehen. Der nationale Taktver-

kehr der Personenzüge (Taktfahrplan) und der nationale Güterverkehr haben Vorrang, ihre

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Trassen sind abgesichert. Im Gegenzug können auch die EU-Mitgliedstaaten ihren Unter-

nehmen auf ihren Netzen einen Vorrang einräumen, falls Schweizer Unternehmen eigen-

ständige Angebote in die EU fahren wollen.

Im jährlichen Fahrplanprozess wird bei der Zuteilung der Trassen-Restkapazitäten in der

Schweiz der internationale Personenverkehr prioritär behandelt.

Die Trassenvergabe bleibt in Schweizer Hand und die Kooperationen im grenzüberschrei-

tenden Schienenpersonenverkehr (z.B. SBB mit DB, SNCF oder Trenitalia) sind weiterhin

uneingeschränkt möglich.

EU-Bahnunternehmen, die als Nebenzweck einer internationalen Verbindung auch Trans-

porte auf Schweizer Streckenabschnitten durchführen (Kabotage), können zur Integration

ins schweizerische Tarifsystem verpflichtet werden. Sie müssen also zum Beispiel das GA

und das Halbtax anerkennen.

Weitere Ausnahmen im öffentlichen Verkehr

Für den Bahnverkehr konnten die Schweizer Instrumente zur Trassenplanung und -siche-

rung (Netznutzungskonzept/Netznutzungspläne) rechtlich abgesichert werden. Dabei han-

delt es sich um Planungsinstrumente, mit denen Trassen langfristig für nationale Bedürf-

nisse reserviert werden können. Damit ist sichergestellt, dass auch der Güterverkehr wei-

terhin über genügend gesicherte Trassen verfügt.

Weiter konnte erreicht werden, dass die Schweiz grenzüberschreitende Angebote auf der

Schiene nach wie vor direkt vergeben kann und damit, abweichend von den Regeln in der

EU, keine öffentlichen Ausschreibungen gemacht werden müssen.

Grenzüberschreitender Strassenverkehr

Auch beim Strassenverkehr schützt das Verhandlungsergebnis eine Reihe von Elementen; sie

sind von der dynamischen Rechtsübernahme ausgenommen:

In der Schweiz sind weiterhin höchstens 40-Tonnen-Lastwagen zulässig. Das bliebe so,

auch wenn in der EU sogenannte Giga-Liner (bis 60 Tonnen) zugelassen würden.

Im gewerblichen Strassenverkehr dürfen im Ausland angemeldete Fahrzeuge weiterhin nur

grenzüberschreitende Transporte von Personen und Gütern anbieten und nicht solche mit

Start und Ziel in der Schweiz (Kabotageverbot).

Das Nacht- und Sonntagsfahrverbot für Lastwagen bleibt.

Die Umsetzung der Verfassungsbestimmung zur Alpeninitiative bleibt unberührt (kein Aus-

bau der Strassenkapazitäten durch die Alpen).

Die EU akzeptiert die LSVA mit definierten höchstmöglichen Abgabesätzen. Überdies kann

die Schweiz neu die LSVA weiterentwickeln, ohne dass dazu das Landverkehrsabkommen

angepasst werden muss. Dadurch wird die Verlagerungspolitik gestärkt.

Die Änderungen am Landverkehrsabkommen lassen eine langfristig abgesicherte, vertiefte Zu-

sammenarbeit zwischen der Schweiz und der Eisenbahnagentur der EU (ERA) zu. Entspre-

chend kann die Schweiz eine aktive Rolle bei der Mitgestaltung der europäischen Eisenbahn-

landschaft wahrnehmen.

Umsetzung in der Schweiz

Der Bund erarbeitet eine Weisung, die sicherstellen soll, dass die Anbieter von internationalem

Schienenpersonenverkehr auf den Schweizer Streckenabschnitten die hierzulande geltenden

Sozialstandards einhalten. Dabei werden die Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände des

öffentlichen Verkehrs eng einbezogen.

Die Weisung soll dem Bundesamt für Verkehr (BAV) bei der Prüfung von Konzessions- und

Bewilligungsgesuchen als Massstab der Branchenüblichkeit der Sozialstandards dienen. Zu

den Vorgaben gehören u.a. die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und branchenüblicher

Löhne sowie Sozial- und Versicherungsleistungen.

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Für die Umsetzung der Änderungen am Landverkehrsabkommen sind gewisse Anpassungen

des Eisenbahn- und des Personenbeförderungsgesetzes notwendig. Zum Beispiel erhält die

Schweizer Regulierungsbehörde im Eisenbahnverkehr (RailCom) die Kompetenz, auf Antrag

hin zu prüfen, ob der Hauptzweck eines grenzüberschreitenden Eisenbahnangebots eines

EU-Bahnunternehmens wirklich im internationalen Verkehr von Passagieren liegt und nicht im

nationalen Verkehr.

Bedeutung für die Schweiz

Mit dem Abkommen ist die für Schweizer Unternehmen wichtige Einbindung in den und Betei-

ligung am EU-Transportmarkt auf der Strasse und der Schiene abgesichert. Der grenzüber-

schreitende Verkehr funktioniert nach einheitlichen Regeln und verläuft ohne Probleme.

Die vorgesehene Öffnung des internationalen Schienenpersonenverkehrs, wie sie die Ver-

handlungslösung vorsieht, erfolgt unter definierten Rahmenbedingungen, so dass die hohe

Qualität des Schweizer ÖVs nicht negativ beeinträchtigt wird. Gleichzeitig wird mit der Öffnung

eine Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Kundinnen und Kunden von zusätzlichen An-

geboten im grenzüberschreitenden Verkehr profitieren können.

Das Verhältnis der Schweiz und der EU im Landverkehr kann laufend weiterentwickelt und

zukunftstauglich gemacht werden. Dabei bleiben wichtige Schweizer Errungenschaften im öf-

fentlichen Verkehr und die verfassungsmässig verankerte Verlagerungspolitik nachhaltig ab-

gesichert.

Konkret

Zusätzliche Bahnverbindungen:

Zwei Berner Studentinnen planen schon länger, für ei-

nen Städtetrip nach München zu fahren. Fliegen kommt für sie nicht in Frage: Sie kaufen

ein Ticket bei Cheaptrain, einem Eisenbahnunternehmen mit Sitz in Deutschland, das seit

kurzem die Strecke Bern – München anbietet. Der Zug fährt spät am Abend, da das Schwei-

zer Schienennetz am Tag schon ausgelastet ist. So kommen sie zwar erst nach Mitternacht

in München an, dafür ist die Reise günstig und auf dem Schweizer Streckenabschnitt gilt

das Halbtax-Billet.