Der Bundesrat
Faktenblatt, 13.06.2025
Worum geht es?
Will ein Unternehmen ein Produkt in einem bestimmten Land verkaufen, muss es nachweisen, dass
das Produkt den Vorschriften dieses Landes entspricht. Da sich die Vorschriften von Land zu Land
unterscheiden, kostet ein solcher Nachweis Zeit und Geld.
Um den Aufwand zu verringern, haben die Schweiz und die EU das Abkommen über die gegenseitige
Anerkennung von Konformitätsbewertungen (
Mutual Recognition Agreement,
MRA) abgeschlossen.
Dieses garantiert, dass ein Produkt, das in der Schweiz auf dem Markt ist, ohne zusätzliche
administrative Verfahren auch in der EU verkauft werden darf, und umgekehrt. Das Abkommen stärkt
und vereinfacht die grenzüberschreitenden Produktions- und Vertriebsketten und trägt so zu tieferen
Preisen in der Schweiz bei.
Das MRA umfasst 20 Produktsektoren (u. a. Maschinen, Medizinprodukte, elektrische Geräte,
Bauprodukte, Aufzüge, pharmazeutische Produkte) und damit 73 Prozent aller in die EU ausgeführter
Schweizer Industrieprodukte. Es definiert einheitliche Produktvorschriften und hält fest, dass die
Konformitätsbewertung (der Nachweis, dass ein Produkt den Vorschriften entspricht) nur einmal
erbracht werden muss – in der Schweiz oder in der EU. So ist es beispielsweise möglich, eine in der
Schweiz hergestellte Hüftprothese oder Maschine ohne Zusatzaufwand in der Schweiz und in der EU
zu verkaufen.
Weil sich die Vorschriften für Produkte laufend entwickeln, muss das MRA regelmässig aktualisiert
werden. Aufgrund der nicht geregelten institutionellen Fragen verweigert die EU jedoch seit Mai 2021
grundsätzlich die Aktualisierung des Abkommens. Konkret betroffen sind gegenwärtig die
Medizinprodukte.
Grundzüge
Mit der Aufnahme der neuen institutionellen Elemente in das MRA wird sichergestellt, dass das
Abkommen künftig regelmässig an die relevanten Entwicklungen des EU-Rechts angepasst wird. Der
Charakter des Abkommens als Äquivalenzabkommen bleibt dabei erhalten.
Zudem wird sich die Schweiz an der Marktüberwachung der EU beteiligen können, sprich an den
Massnahmen zur Gewährleistung der Produktsicherheit und -qualität. Die im MRA vorgesehene
Ausnahme für Fertigpackungen, für die die Produktvorschriften in der Schweiz von jenen in der EU
abweichen, bleibt erhalten.
Die Schweiz und die EU haben die Modalitäten für ihre Zusammenarbeit im Zeitraum von Ende 2024
bis zum Inkrafttreten des Pakets festgelegt. Sie werden in diesem Rahmen eng zusammenarbeiten,
um das ordnungsgemässe Funktionieren der bestehenden Binnenmarktabkommen zu gewährleisten.
Insbesondere werden sie über die Umsetzung des MRA diskutieren und dabei den Bedürfnissen der
Wirtschaftsakteure Rechnung tragen.
Umsetzung in der Schweiz
Das institutionelle Protokoll und das Änderungsprotokoll zum MRA erfordern keine Änderung des
Schweizer Rechts und auch keine Begleitmassnahmen.
In den vom MRA abgedeckten Produktesektoren wird die Schweiz weiterhin ihre Regulierung an die
Entwicklung der EU-Regulierung angleichen (Gleichwertigkeit).
Bedeutung für die Schweiz
Das MRA vereinfacht die Ausfuhr von Produkten, stärkt dadurch die Exportindustrie, trägt zur
Senkung der Preise in der Schweiz bei und sichert hiesige Arbeitsplätze. Für die Schweiz ist es
wichtig, dass die vom MRA abgedeckten Produkte hindernisfrei im EU-Markt zirkulieren können.
Dadurch lassen sich die Kosten für die Unternehmen und somit auch für die Konsumentinnen und
Konsumenten senken. Ausserdem sorgt dies für einen stabilen Rechtsrahmen zwischen der Schweiz
und der EU, was den Wirtschaftsstandort Schweiz attraktiver macht.
Dank
des
Ausbaus
ihrer
Mitspracherechte
im
Zusammenhang
mit
der
dynamischen
Rechtsübernahme kann die Schweiz ihr Expertenwissen auf EU-Ebene einbringen und aktiv an
relevanten Rechtsentwicklungen in der EU teilnehmen («
Decision Shaping»)
. Damit kann
sichergestellt werden, dass Anliegen der Schweizer Akteure frühzeitig in die entsprechenden
Rechtsetzungsprozesse in der EU Eingang finden.
Konkret
▪
Vereinfachung der Zertifizierung von Produkten für den EU-Markt:
Ein mittelgrosses
Schweizer Industrieunternehmen hat sich auf die Herstellung von Werkzeugmaschinen für die
optische Industrie spezialisiert. Nur rund 20 Prozent des Umsatzes macht es in der Schweiz. Die
meisten Maschinen werden exportiert, vor allem nach Italien und Deutschland. Dank dem MRA
müssen die Maschinen das Konformitätsbewertungsverfahren nur einmal, in der Schweiz,
durchlaufen. Denn es wird auch in der EU anerkannt. Zudem profitiert das Unternehmen von
weiteren administrativen Erleichterungen. Beispielsweise muss es - anders als sein Konkurrent
aus den USA - keinen Wirtschaftsakteur (Importeur oder Bevollmächtigter) in der EU benennen
und seine Produkte nicht mit den Kontaktdaten eines solchen Wirtschaftsakteurs etikettieren.
Sollte das MRA für die Maschinenindustrie einmal wegfallen – etwa, weil die EU es nicht mehr
aktualisiert –, würde dies zu erheblichen Mehrkosten führen. Dann müsste das
Industrieunternehmen beispielsweise eine Konformitätsbewertung aus der EU haben, einen
Wirtschaftsakteur (Importeur oder Bevollmächtigter) in der EU beschäftigen und die Produkte für
den EU-Markt neu etikettieren. Für das Unternehmen, das sich trotz seiner Spezialisierung
einigen grösseren Konkurrenten aus EU-Ländern gegenübersieht, wäre dies mit Mehrkosten und
damit mit einer unter Umständen erheblichen Verschlechterung der Geschäftslage verbunden.
▪
Sicherheit von Produkten:
Von der einfachen Pinzette bis zum Herzschrittmacher gibt es rund
eine halbe Million verschiedener Medizinprodukte. Jedes muss die geltenden gesetzlichen
Anforderungen
erfüllen,
bevor
es
in
den
Einsatz
kommen
darf,
besonders
die
Sicherheitsanforderungen. Da gerade bei komplexen Medizinprodukten – etwa dem genannten
Herzschrittmacher – die Sicherheit entscheidend ist, muss der Medizinproduktemarkt
kontinuierlich überwacht und müssen unsichere Produkte nötigenfalls rasch und wirksam aus dem
Verkehr gezogen werden.
Ohne eine Lösung der institutionellen Fragen ist die Schweiz indes von der Marktüberwachung
mit den EU-Mitgliedsstaaten für Medizinprodukte ausgeschlossen. Das erschwert den Zugang der
Schweizer Behörden zu wichtigen Informationen, um bei unsicheren Produkten rasch reagieren
zu können. Ein funktionierendes MRA dient daher auch der Sicherheit der Patientinnen und
Patienten in der Schweiz.