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Der Bundesrat

Faktenblatt, 13.06.2025

Staatliche Beihilfen

Worum geht es?

Staatliche Beihilfen verschaffen bestimmten Unternehmen wirtschaftliche Vorteile und können

damit den Wettbewerb verfälschen. Dabei kann es sich um Subventionen zu Gunsten be-

stimmter Unternehmen oder um sonstige finanzielle Vorteile wie vergünstigte Darlehen,

Staatsgarantien, Steuervergünstigungen etc. handeln.

Doch staatliche Beihilfen können auch erwünscht sein, wenn ihnen ein öffentliches Interesse

zugrunde liegt, beispielsweise die Stärkung einer strukturschwachen Region als Wirtschafts-

standort oder die Förderung umweltfreundlicher Technologien.

Im Beihilferecht der EU geht es im Kern darum, unerwünschte Wettbewerbsverfälschungen zu

verhindern und dafür zu sorgen, dass im EU-Binnenmarkt alle Teilnehmenden gleich lange

Spiesse haben. Darum überwacht die EU staatliche Beihilfen ihrer Mitgliedsstaaten.

In der EU gilt ein grundsätzliches Beihilfeverbot, allerdings mit zahlreichen Ausnahmen. Zu-

dem müssen staatliche Beihilfen in der EU erst ab einem gewissen Schwellenwert durch die

Europäische Kommission bewilligt werden. Aufgrund der grosszügigen Ausnahmebestimmun-

gen sind in der EU staatliche Beihilfen mehrheitlich ohne Einzelfallprüfung zulässig. Von den

gemeldeten Beihilfen wiederum werden über 95% durch die Europäische Kommission geneh-

migt.

Die Schweiz kennt eine Beihilfeüberwachung bisher nur im Luftverkehr. In diesem Bereich

überwacht die Wettbewerbskommission (WEKO) alle staatlichen Beihilfen. Die beihilfegewäh-

renden Behörden holen bei ihr eine Stellungnahme ein.

Grundzüge

Für die EU ist die Beteiligung am Binnenmarkt mit der Beihilfeüberwachung verbunden. Die

Schweiz wird die Regelung nur in ausgewählten Bereichen der Binnenmarktteilnahme über-

nehmen. Entsprechend konnte die staatsvertragliche Pflicht zur Beihilfeüberwachung auf das

Landverkehrs-, Strom- sowie Luftverkehrsabkommen begrenzt werden (das Freihandelsab-

kommen von 1972 und das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen sind von den

Beihilfebestimmungen nicht betroffen; sie sind auch nicht Teil des Pakets). Der Text sieht aus-

drücklich Ausnahmen für den Service Public und Mindest-Schwellenwerte vor. Die Beihilfebe-

stimmungen im Stromabkommen enthalten weitere, sektorspezifische Absicherungen.

Der sogenannte Zwei-Pfeiler-Ansatz konnte abgesichert werden. Die Überwachung staatlicher

Beihilfen der Schweiz wird durch eine schweizerische Beihilfeüberwachungsbehörde und die

zuständigen schweizerischen Gerichte erfolgen. Das vorgesehene Überwachungssystem ist

mit der schweizerischen Verfassungsordnung vereinbar und respektiert die Kompetenzen der

Kantone, der Bundesversammlung und des Bundesrats.

Konkret sollen Bund, Kantone und Gemeinden eine geplante neue staatliche Beihilfe bei der

Schweizer Überwachungsbehörde anmelden, sofern die Beihilfe einen gewissen Schwellen-

wert überschreitet und nicht unter die Ausnahmen von der Anmeldepflicht fällt. Die Überwa-

chungsbehörde würde dann zur geplanten neuen staatlichen Beihilfe unverbindlich Stellung

nehmen. Sollte diese Stellungnahme jedoch missachtet werden, könnte die Überwachungs-

behörde den Fall von einem Schweizer Gericht klären lassen.

Zur Schaffung des Schweizer Überwachungssystems wurde eine Übergangsfrist von fünf Jah-

ren vereinbart. Nach Ablauf dieser Frist hat die Überwachungsbehörde ein weiteres Jahr Zeit,

um sich einen Überblick über die bestehenden Beihilferegelungen zu verschaffen. In Bezug

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auf Entwicklungen, die wichtige Interessen der Schweiz betreffen, sowie auf die EU-Industrie-

politik wird ein Konsultationsmechanismus eingerichtet, der es der Schweiz erlaubt, ihren

Standpunkt einzubringen.

Service-Public-Leistungen bleiben bestehen. Sie sind auch in der EU grundsätzlich zulässig.

Zudem existieren Schwellenwerte und zahlreiche Ausnahmebestimmungen. Ausserdem sind

nur die Sektoren Luft-, Landverkehr und Strom in denjenigen Bereichen betroffen, die von den

Abkommen geregelt werden. So ist in der Schweiz zum Beispiel der rein inländische öffentliche

Verkehr nicht im Geltungsbereich, da dieser heute und auch in Zukunft nicht vom Landver-

kehrsabkommen abgedeckt wird.

Umsetzung in der Schweiz

Die Schweiz wird die materiellrechtlichen Bestimmungen des Beihilferechts der EU beschränkt

auf die Geltungsbereiche des Luftverkehrs-, des Landverkehrs und des Stromabkommens

übernehmen und so die Spielregeln auf dem EU-Markt einhalten. Die Überwachung der

schweizerischen Beihilfen in den betroffenen Bereichen wird jedoch im Rahmen eines eige-

nen, äquivalenten Verfahrens gewährleistet. Dieses wird unter Einhaltung der schweizerischen

Verfassungsordnung sowie der Kompetenzen der Kantone, der Bundesversammlung, des

Bundesrates und der schweizerischen Gerichte im neuen Beihilfeüberwachungsgesetz

(BHÜG) festgehalten.

Im Rahmen des Verfahrens kann sich der Beihilfegeber während der Ausarbeitung der Beihilfe

durch die Schweizer Überwachungsbehörde beraten lassen. Der Beihilfegeber muss seine

geplante Beihilfe anmelden. In einer einfachen Prüfung innerhalb von zwei Monaten evaluiert

die Schweizer Überwachungsbehörde die Beihilfe auf Vereinbarkeit mit den völkerrechtlichen

Beihilfebestimmungen. Im Falle von Bedenken eröffnet die Schweizer Überwachungsbehörde

eine vertiefte Prüfung, die bis zu zwölf Monate dauern kann. Sie schliesst die Prüfung mit einer

unverbindlichen Stellungnahme ab. Vor der Beihilfegewährung wird der finale Rechtsakt der

Überwachungsbehörde mitgeteilt. Beurteilt die Überwachungsbehörde die mitgeteilte Beihilfe

als unzulässig, kann sie Beschwerde vor der zuständigen Instanz erheben. Nur ein schweize-

risches Gericht kann verbindlich entscheiden, dass die Beihilfe unzulässig ist, und allenfalls

eine Rückforderung verlangen. Auch Konkurrenten können allenfalls eine Beschwerde einrei-

chen. Die wichtigsten Verfahrensschritte werden in einer Datenbank durch die Überwachungs-

behörde publiziert.

Aufgrund des beschränkten Geltungsbereichs sowie Ausnahmen von der Anmelde- und Mit-

teilungspflicht sind langfristig rund fünf einfache Prüfungen sowie eine vertiefte Prüfung pro

Jahr zu erwarten.

Bedeutung für die Schweiz

Die Schweiz als offene, mittelgrosse Volkswirtschaft ist auf einen möglichst breiten Marktzu-

gang angewiesen. Hierbei ist eine unverzerrte, möglichst weitgehende Beteiligung am EU-

Binnenmarkt zentral.

Die Schweizer Wirtschaftsordnung beruht auf der Wirtschaftsfreiheit und dem Wettbewerb.

Damit hat auch die Schweiz ein Interesse an gegenseitigen fairen Bedingungen für den Wett-

bewerb. Eine Beihilfeüberwachung, die Schweizer Unternehmen die Teilnahme am EU-Bin-

nenmarkt ermöglicht, ist daher auch im Interesse der Schweiz.

Die WEKO überwacht bereits heute staatliche Beihilfen der Schweiz im Bereich Luftverkehr

unter Berücksichtigung des EU-Rechts, auch wenn bislang keine Beschwerdemöglichkeiten

bestehen. In den Bereichen Strom und Landverkehr werden für Beihilfen im Geltungsbereich

der entsprechenden Abkommen ebenfalls Beihilfebestimmungen eingeführt. Die wichtigsten

bestehenden Schweizer Beihilfen wurden im Bereich Strom vertraglich abgesichert. Im Land-

verkehr ist nur der grenzüberschreitende Verkehr betroffen, und es sind seitens der Schweiz

keine Beihilfen bekannt.

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Konkret

Zwei-Pfeiler-Modell:

Ein Stromproduzent aus Baden-Württemberg ist über Zuschüsse

verärgert, die ein Produzent aus dem Berner Oberland vom Kanton Bern erhält. Umgekehrt

stört sich der Berner Produzent an den Zuschüssen, die sein deutscher Konkurrent vom

Land Baden-Württemberg bekommt. Beide sind überzeugt, dass diese Unterstützungen

den Wettbewerb verzerren und gegen die Beihilfebestimmungen des Stromabkommens

verstossen. Deshalb wendet sich der Berner Produzent an die Europäische Kommission,

der deutsche Produzent an die Schweizer Überwachungsbehörde. Beide Behörden stellen

fest, dass die Zuschüsse nicht ordnungsgemäss angemeldet wurden, und prüfen sie nun

unabhängig voneinander in gleichwertigen Verfahren: Die Europäische Kommission unter-

sucht die Zuschüsse aus Baden-Württemberg, die Schweizer Behörde jene aus dem Kan-

ton Bern. Sollten die Beihilfen gemäss Einschätzung der Überwachungsbehörden gegen

die Beihilfebestimmungen des Stromabkommens verstossen, müssen sie zurückgezahlt

werden. Konkret laufen die gleichwertigen Verfahren folgendermassen ab:

o

In der EU entscheidet die Europäische Kommission. Gelangt sie zum Schluss, dass

die Zuschüsse aus Baden-Württemberg gegen die Beihilfebestimmungen des

Stromabkommens verstossen, verpflichtet sie Deutschland, die Beihilfen zurückzu-

fordern. Falls Deutschland diesen Entscheid nicht akzeptiert, kann es beim Gericht

der Europäischen Union (EuG) Klage einreichen. In letzter Instanz entscheidet der

Europäische Gerichtshof (EuGH).

o

In der Schweiz gibt die Schweizer Überwachungsbehörde eine Stellungnahme

dazu ab, ob die Zuschüsse des Kantons Bern zulässig sind. Kommt sie dabei zum

Schluss, dass diese gegen die Beihilfebestimmungen des Stromabkommens

verstossen, ersucht sie den Kanton Bern, die Zuschüsse an Stromproduzenten aus

dem Berner Oberland zurückzufordern. Folgt der Kanton Bern dem Ersuchen der

Überwachungsbehörde nicht, kann die Schweizer Überwachungsbehörde Be-

schwerde beim zuständigen Schweizer Gericht erheben. Letztinstanzlich entschei-

det das Bundesgericht.

o

Dank der gleichwertigen Beihilfeüberwachungen in der Schweiz und der EU wird

somit sichergestellt, dass die beiden Stromproduzenten aus dem Berner Oberland

und aus Baden-Württemberg auf dem gemeinsamen Markt (Binnenmarkt CH-EU)

mit gleichlangen Spiessen agieren.

Service-Public:

Ein Ostschweizer Kanton möchte im öffentlichen Interesse eine neue re-

gionale Zugverbindung einrichten. Er möchte diese, wie im Regionalverkehr üblich, direkt

an ein bestimmtes Unternehmen vergeben und keine Ausschreibung durchführen. Er ist

sich nicht sicher, ob dies mit den neuen Beihilfebestimmungen im Landverkehrsabkommen

weiterhin möglich ist und meldet das Vorhaben bei der Schweizer Überwachungsbehörde

an. Die Überwachungsbehörde nimmt eine einfache Prüfung des Vorhabens vor. Sie hält

in ihrer Stellungahme fest, dass die Beihilfebestimmungen für diesen Sachverhalt gar nicht

zur Anwendung kommen, da der rein nationale Verkehr nicht im Geltungsbereich des

Landverkehrsabkommens ist. Der Kanton kann seinen Auftrag also wie geplant direkt ver-

geben.